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30.09.04



[von koewi.log]





Sterben lassen lernen.

Aus den "maximal zwei Tagen" vom Montag wurden gestern abend "vielleicht noch zwei Tage".


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29.09.04

Vor Monaten begann ich einen Vorrat an Farbe mir zuzulegen. Für den Herbst. Ich mag das Graue und die Tristesse, aber mag mich darin nicht verlieren müssen. So scheint jetzt der richtige Zeitpunkt, die Welt, meine Welt, ein bißchen zu bebunten, alle paar Tage: BlauBlütig

Es wenigstens versuchen.


***



28.09.04



Lag da auf der Straße rum, einfach so.


***



27.09.04

Bruder Hein hat seine hoffentlich letzten Vorboten geschickt. Wenn er doch endlich selbst erschiene. Warten.

Das vorsichtig abwägende "Weihnachten wohl eher nicht mehr" im Frühjahr. Heute sind es "maximal zwei Tage".

All die Monate die Angst vor dem Schellen des Telephons. Mittlerweile den einst so gefürchteten Anruf herbeisehnen.

All die Monate all das Elend versucht mir von der Seele zu schreiben, im Kopf. Im Kopf Seiten um Seiten gefüllt mit Worten vom Tod und vom Sterben, von der Angst und der Hoffnung, vom Verfall, dem Zusehen, der Hilflosigkeit; und dann noch die Erinnerungen. Erleichternd wars nur für Momente, jetzt ist der Kopf schwer von all den Buchstaben, all dem Papier, leserlich ist nichts mehr, zerknüllt sind die Seiten, gebrochen die Worte.


***



17.09.04

Oh - wie schade!

Nachtrag: text I bild wieder erreichbar.





Ich packte meine Haare im Nacken zusammen und schnitt sie ab, einfach so. Das große Entsetzen folgte unmittelbar und verzweifelte Bemühungen, das Geschehen nicht ins Bewusstsein dringen zu lassen scheiterten. Wenn es nicht bewusst wird, dann ist es nicht wahr, so sagte ich mir und widerstand der Versuchung, den Zopf im Regal noch einmal anzusehen, es darf nicht wahr sein, es ist doch erst vor einigen Sekunden passiert, die Zeit muss zurückgestellt werden. Doch immer stärker drängte sich das Wissen auf, die Haare sind weg, unbedacht abgeschnitten, nie mehr werden sie die Länge erreichen, die sie hätten erreichen können.

Da sitze ich nun in der Diele im neuen, mir unbekannten Haus von alten Nachbarn. Früher, als kleines Kind, ging ich dort im Hause ein und aus, im neuen Haus finde ich mich nicht zurecht. Jemand öffnet der Reihe nach all die Türen und erklärt mir, wohin sie führen. Sie alle führen nach draussen, so viele Ausgänge, doch ich weiß nicht, wo ich hin soll.

So war das in den Träumen und da war noch viel mehr, doch will man den Freuds der Gegenwart nicht zu viel Futter anbieten. In dieser Welt geht es heute um Formulare, Papierstapel, Kopf- und Gliederschmerzen..





"Soviel und welche Sprache einer spricht, soviel und solche Sache, Welt oder Natur ist ihm erschlossen. Und jedes Wort, das er redet, wandelt die Welt, worin er sich bewegt, wandelt ihn selbst und seinen Ort in dieser Welt. Darum ist nichts gleichgültig an der Sprache, und nichts so wesentlich wie die facon de parler. Der Verderb der Sprache ist der Verderb des Menschen. Seien wir auf der Hut!"

[Sternberger - Storz - Süskind: Aus dem Wörterbuch des Unmenschen (Vorbemerkung 1945)]





Kein Bock auf weblog.
So peinlich alles.

"Aha, man nennt es weblog, was ich hier mache. *imNetzgestöberthab* Auf dem Schiff damals durfte ich das logbuch nicht führen, weil "das nur der Käpt´n darf". Hier bin ich mein Kapitän."

[Älis am 12.10.01]





So seltsam und beklemmend die Träume auch waren, die mich noch gefangen halten, lieber würde ich dort verweilen als heute diese Welt zu betreten.


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14.09.04

Als wir letzte Nacht gegen halb zwölf die Treppen hochschlichen, stellte ich mir vor: Einer von uns holt tief Luft und schmettert "Hollaröllduliö!", darauhin öffnen sich alle Türen im Treppenhaus und vielstimmig erschallt aus nachbarlichen Kehlen das Echo: "Hollaröllduliööööö!"


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12.09.04

Mutter und Kind warten im Supermarkt in der Schlange vor der Kasse, da entdeckt das Kind das Süßigkeitenregal und läuft darauf zu. Kind sagt "Das will ich haben!", Mutter sagt "Arschlecken!", Kind weiß Bescheid und ist ruhig.





Freut mich sehr: Der Goldene Löwe für Mike Leigh.


***



11.09.04

Museumsverführung in Nürnberg - eine Serie von Nordbayern Infonet.





Putzen ist eine grandiose Sache. Richtiges Putzen meine ich, nicht mal kurz das Wischen über freie Flächen oder das Wegsaugen von Bröseln unter dem Tisch. Beim richtigen Putzen werden Möbel verrückt und auch dahinter gesaugt, werden Fensterbretter abgeräumt und gereinigt, Fenster natürlich bei dieser Gelegenheit auch geputzt, es werden Pflanzen geduscht und geschnitten und ihre Übertöpfe gescheuert. Sie sind jetzt wieder weiß statt eierschalenfarben. Das Wohnzimmer, obwohl erst zur Hälfte fertig, ist geschätzte fünf Lux heller als noch vor drei Tagen. Putzen ist wirklich eine grandiose Sache. Für eine Weile hilft es gegen Trauer und Grübeleien, es lenkt ab von Schuldgefühlen und Zukunftsängsten.


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10.09.04

Extreme Frühjahrsputzing

2. Beim Bücken nach dem Pflanzkübel zieht mir der plötzliche Schmerz im Gesicht fast die Beine weg. Den Rankstab im nebenstehenden Topf übersehen. Die Brille verhinderte wahrscheinlich wirklich Schlimmes, anstatt ins Auge kratzte der Stab nur den äußeren Augenwinkel. Erinnert an Nina Hagen jetzt, langer dicker Lidstrich. Mit einem blauen Auge davongekommen. Tiefe Dankbarkeit.


1. Das Staubsaugerrohr ist nirgends zu finden, in dem durch das Putzen verursachten ganz speziellem Durcheinander nachvollziehbar, aber irgendwo muss er es doch hingetan haben. Andre Dinge erledigen, immer hoffend, ganz zufällig das Rohr zu finden. Wo hat er gestern nur das Staubsaugerrohr hin, der Staubsauger steht ja auch mitten im Zimmer. In Gedanken rufe ich ihn in der Arbeit an und spüre ihn erschrecken, schließlich habe ich noch nie in der Arbeit angerufen und er würde erschrecken, dann sehe ich feixende Kollegen, die ihm zuhören, während er am Telephon laut nachdenkt, wohin er denn das Staubsaugerrohr getan haben könnte. Nein, es ist nicht im Wohnzimmer und nicht im Bad und nicht im Flur und nicht im Schlafzimmer. Vielleicht in der Abstellkammer? Achja. Ob ich ihm später erzählen soll, für wie abwegig ich den Gedanken hielt, daß er es an den richtigen Platz aufgeräumt hat?





Kind A, ca. 7 Jahre alt
Kind B, ca. 5 Jahre alt

A: "Du musst das doch können. Also du musst das können, wenn Du sechs Jahre alt bist. Weil dann bist du groß!"
B verzieht das Gesicht: "Will nicht. Ich bin doch schon sechs. Mama, bin ich sechs?"
Die Mutter sagt, daß A fast sechs Jahre alt sei, im Dezember habe es Geburtstag.
B triumphierend zu A: "Siehst du - ich bin halb sechs!"


***



08.09.04

Am Montagmorgen aufgewacht mit einer Melodie im Kopf. Eine mir unbekannte Melodie, dem Klang nach ein altes Kirchenlied, mit Gesang, doch ich weiß nur die letzten Worte: "... und hat ein Herzeleid."


Während der Mittagspause in der alten Tageszeitung blättern und die Anzeige sehen. S. ist tot.

Vor fünfzehn Jahren haben wir uns kennengelernt, beide gerade aus tiefen Löchern gekrabbelt, uns in einer hellen, fremden Welt umschauend. Da sind wir zusammen losgezogen, er und ich. Mit- und nebeneinander, doch niemals Hand in Hand. Eine starke Verbundenheit. Viele Parallelen.

Er war so ein unauffälliger, etwas linkisch und einfach wirkender Typ. Hat oft gedauert, bis man dahintersah, manchen gelang es nie. Seinem Vater zum Beispiel. Der viel zu oft sagte, Bub, mach Deine Arbeit ordentlich, kümmere Dich um Deine Frau und sei zufrieden, was willst Du denn immer. S. wollte viel. Am meisten wollte er leben. Und zwar so, wie er sich das Leben erträumte. Er hat oft vom Leben geträumt. Wie es sein könnte. Stundenlang konnte er davon erzählen, dann zog er sich wieder zurück, in sein Leben, das mit den Löchern. Die Löcher und das Leben, bei ihm war das irgendwie eins. Seine Löcher und sein Leben. Das war kein Traumleben.

Manchmal hat er mir erzählt von seinen Erfindungen. Oft war er am Tüfteln und Basteln und Konstruieren irgendwelcher Maschinen, ich hab das nie so richtig verstanden, die Funktionsweise und wozu es gut sein soll. Seine Begeisterung hat mir gefallen, ich hab ihm gern zugehört. Einer seiner Erfindungen wurde, so hat er erzählt, auch von jemanden andren erfunden, der das für viel Geld an eine große Institution verkauft hat. S. war vielleicht genial, aber nicht clever.

Einmal hat er sich verliebt, da war er schon verheiratet. Das war nicht gut. Das wäre aber auch vor der Hochzeit nicht gut gewesen. Der Traum vom Leben mit dieser Frau war wie eine seiner Erfindungen, irgendwie.

Er hat manchmal Sprüche gebracht, die ich immer wieder gern zitiert habe. Die schreibe ich nicht auf. Die werde ich wahrscheinlich nie mehr sagen. Es gibt Sachen, Dinge, die sterben mit dem Menschen, das weiß ich. Es gibt jetzt niemanden mehr, der mal viele lange Minuten kämpfen musste, um mir einen Socken anzuziehen. Als er mit dem zweiten Socken beschäftigt war, zog ich mir den ersten wieder vom Fuß. Ein Detail einer schlimmer Geschichte, im Nachhinein haben wir gelacht darüber, weißt Du noch, die Socken? Jetzt weiß nur noch ich, wie es wirklich war, weil da niemand mehr ist, der außer mir dabei war.

Wie wir da mal in dieser Kneipe saßen und uns über die Wesen im andren System unterhielten, die mit großem Interesse den blauen Ball und die darauf rumwuselnden Elemente betrachten. Weder Plan noch Sinn in diesem chaotisch anmutendem Hin- und Hergerenne erkennen können, sich amüsieren über das Gezeter der kleinen Menschlein, ihre Ahnungslosigkeit und Wichtigtuerei.

Pubertäres Möchtegern-Philosophieren, sicher. Doch wir haben gelacht und es hat uns geholfen, in unseren postpubertären Phasen. Es hat nur zeitenweise geholfen. Abwechselnd sind wir immer wieder auf die Löcher zugestolpert und manchmal auch hineingefallen. Aus dem letzten hat er mich rausgezogen. All mein Wehren hat nichts geholfen, er war stärker.

Er war auch stärker, als er seinerseits wieder gefallen war. Weigerte sich einfach nach dem Seil zu greifen, blieb sitzen, war nirgendwo zu packen. Das wars dann mit uns beiden. Wir haben nie wieder voneinander gehört.

Manchmal hab ich gedacht, Mensch, wie es dem S. wohl geht, da ruf ich demnächst mal an. Da war nichts, was dem entgegengestanden wäre, nichts, außer daß es grad Anderes zu tun gab. Am Computer sitzen, schlafen, aufräumen, chatten, lesen, an alte Zeiten denken, häkeln, Löcher in die Wand starren, arbeiten natürlich; alles war für den Moment wichtiger. Anrufen kann ich ja morgen noch. Hat doch Zeit. Ich hab doch Zeit.


Ich höre den Zug heranfahren. Mein Sohn sitzt darin, ich muss es ihm sagen. ... - ... Er zuckt zusammen. Ja, natürlich erinnert er sich. Der war cool. Die Frau hatte ein Motorrad, und da war ein Kind. Ja. Und Hunde, große Hunde. - - - An die Hunde habe ich nicht mehr gedacht. Ich habe die Hunde vergessen. Was ist das denn für ein Erinnern, in dem die Hunde fehlen. Was fehlt denn noch?


***



05.09.04

Es sind ja immer zufällige Begegnungen. Heute bunt gemischt, doch ausnahmslos sehr interessante, sympathische, liebe Menschen. Wohlfühlen, Summen, froh sein. Und dann kam der arrogante Wichser daher. Fordernd, wo es nichts zu fordern gibt, blökend, und dann auch noch beleidigend. Keine frohen Melodien mehr im Kopf, stattdessen kaum zügelbare Wut im Bauch. Sehr schwer, wieder zurückzufinden, doch es gelingt, beim Gedanken an die alte Dame nämlich. Die von den Engeln erzählte. "Die Engel, das sind immer Buben", meinte ihr Mann. Ruhig und bestimmt hat sie widersprochen, Engel sind ebensooft auch Mädchen, und alle, die Mädchen und die Buben beten jetzt für die russischen Kinder.


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04.09.04

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Die zwei jungen Männer, Schweizer wohl, kamen zurück und fragten nach einer Plastiktüte oder so etwas ähnlichem. Um die Taube anzufassen, weil, die liegt da verletzt am Straßenrand, man kann die doch da nicht so liegen lassen. Im Schrank finden sich ein alter Karton, ein Paar hellblaue Fingerstrickhandschuhe, vergessen im letzten Winter von irgendwem und eine Plastiktüte. Aber wohin mit einer verletzten Taube am späten Samstagnachmittag? Am Besten in den Tiergarten bringen, das ist aber ziemlich weit, erst U-Bahn und dann umsteigen in die Straßenbahn. Egal? Gut. Einen Stadtplan kriegen sie auch noch mit.

Es tut gut, dieses Erleben, das Treffen dieser Menschen, die sich ihren Samstag hier in der Stadt bestimmt ganz anders gedacht hatten. Vielleicht am Abend beim Tiergarten anrufen und nach einer Taube fragen, die von zwei Schweizern abgegeben wurde?

Dazu kommt es nicht. Nach dem Feierabend, auf dem Weg zur U-Bahn sehe ich sie liegen, an der beschriebenen Stelle, die Taube, tot und zerfetzt. Weder wage ich es in Abfalleimer zu blicken, ich will die hellblauen Handschuhe nicht finden, noch mir die Szene vorzustellen, die sich hier abgespielt haben mag.

Und dennoch.


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02.09.04

Die Peinlichkeit, mit der Tragetasche eines der exklusivsten Geschäfte hier durch die Stadt zu laufen. Am liebsten jedem erzählen wollen, daß nur ein paar abgelegte BHs, von der Tante überlassen, darin sind.


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