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31.08.04

Es gibt so Arbeitstage, die sind einfach nur mies, aber auch an solchen Tagen wird es mal achtzehn Uhr und man kann langsam daran denken, abzuschließen und sich auf neunzehn Uhr freuen, wenn man zuhause auf der gemütlichen Couch sitzt.

Es gibt auch ganz miese Arbeitstage, mit technischen Problemen, und dann klappt das mit dem Abschließen nicht wie gedacht und es gibt noch Dinge zu erledigen und dann verpasst man die Straßenbahn. So war das heute.

Die Straba, mit der ich dann gefahren bin, musste auf einer Kreuzung eine Vollbremsung hinlegen, sowas hab ich noch nie erlebt, ich hab überhaupt noch nie einen Verkehrsunfall erlebt, das heute hat mir einen kleinen Einblick vermittelt, wie sowas sein kann. Eben noch sitzend und lesend, im nächsten Moment nach vorne geschleudert, die Knie machen schmerzhafte Bekanntschaft mit dem gegenüberliegenden Sitz, du weißt gar nicht wie Dir geschieht, Knie, Hände und Kopf tun dir weh und das Schlimmste sind die Schreie der andren Leute. Zum Glück hat sich niemand ernsthaft verletzt. Die Erstarrung löst sich nur langsam.

Nun könnte der Tag aber langsam zu Ende gehen, ich will nur noch in Ruhe nach Hause fahren. Muss aber lange auf den Anschlußzug warten. Auf dem Bahnsteig schreit sich ein junges Pärchen an, das kleine frische Baby schreit herzzerreissend mit, viel Angst immer bei so Sachen, hoffentlich tun sie sich nichts, ein bißchen im Auge behalten das, dabei wollte ich doch lesen. Der Zug kommt, in ein leeres Raucherabteil steigen und froh sein, von den streitenden Leuten weg zu kommen, was mir ein schlechtes Gewissen macht.

Noch eine halbe Stunde, dann bin ich weg von der Welt, nämlich auf meiner Couch, eine halbe Stunde jetzt lesen. Da steigt eine Tussi, man möge mir diesen abfälligen Ausdruck jetzt bitte nachsehen, telephonierend hinzu. Und sie telephoniert und telephoniert, in einem Dialekt, der mich sonst kaltlässt, heute aber Ekelgefühle in mir auslöst, im monotonen Tonfall, sie redet eigentlich nicht und sie spricht auch nicht, sie rattert Worte in das Telephon und das in höchster Lautstärke, resignierend lege ich mein Buch zur Seite und anstatt über kirchliche Helfer der Nazis werde ich informiert über den Geschäftsführer und seine Eigenarten und die Hochzeit von irgendwem. Meine Hoffnung ist die Anfahrt des Zuges. Sein Rattern könnte das Rattern der Worte übertönen. Zugrattern hat mich beim Lesen und Entspannen noch nie gestört. Ich will doch nur in Ruhe nach Hause.

Da fängt dann so ein Typ das Husten an, kein gewöhnlicher Husten, nein, das muss der Seuchentod persönlich sein. Vor meinem geistigen Auge fliegen Schleimbatzen durch die Gegend. Da fährt der Zug endlich an. Und der Huster tritt an mich heran und frägt mich nach Feuer. Eher alt als mittelalt, ein bißchen verloddert und *husthust* "Ham Se mal Feuer?" und natürlich geb ich es ihm und er setzt sich wieder nach vorne. Bei der nächsten Haltestelle kommt er wieder und frägt die Frau neben mir nach Feuer und ich denk, na, kein Wunder das mit dem Husten! und er setzt sich wieder nach vorne und dann hab ich es gerochen: In Nullkommanix war das kleine Abteil von Dopedämpfen durchwabert, sodaß ich schon gleich gar nichts mehr denken konnte, selbst wenn ich gewollt hätte, nur noch Ohohoh und Weiaweia.

Bald kam meine Haltestelle und beim Aussteigen hab ich einen Blick auf ihn geworfen, den alten, leicht velodderten Typen, der mit feinem Grinsen im Gesicht verzückt seinen ausnehmend fetten Joint befeuchtet.

Dann bin ich nach Hause getorkelt.


Hab den übrigens schon mal getroffen, wie hier nachzulesen ist.


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29.08.04

Berlin ist nicht vergessen: Neue Bilder.


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28.08.04

Letzte Woche, in irgendeiner Nacht: Ein Aktenvorgang, belanglos scheinbar, doch zwischen den Zeilen ist zu lesen: Um elf Uhr auf dem Dachboden. Ich bin dort, voll Angst, die Kollegin in der andren dunklen Ecke bemerkt mich nicht, ich gebe mich nicht zu erkennen, bleibe in meiner dunklen Ecke. Sie verlässt nach einer Weile den Dachboden. Hier wird nichts passieren, vielleicht ein Mißverständnis. Im Treppenhaus auf dem Weg nach unten stürmen mir Jugendliche entgegen: "Hier solls abgehen, Alter, die action!" Nein, geht wieder runter, hier ist nichts. Die Kollegin steht bereits im Mantel im Büro, auf dem Weg nach Hause, den Aktenvorgang in der Hand. Wollen Sie das wirklich mitnehmen? Wäre es nicht besser, das dem Chef auf den Tisch zu legen? Gut. Gut, man weiß ja nie. Auf Wiedersehen.

Dann, in der großen Halle höre ich es: Röhm ist tot. Und jetzt verstehe ich: Da war kein Mißverständnis, da ist ein Plan, Göring hat abgelenkt. Eins fügt sich zum andern und ich verstehe noch viel mehr, nämlich das große Täuschungsmanöver: Die Geschichte ist Gegenwart und wird präsentiert als Ablenkung von sich selbst, was wir berichten und uns berichtet wird geschieht justament im Jetzt, eine gigantische Maschinerie von Trugbildern.

Man muss das stoppen, ich renne den ganzen Weg durch die große Halle und rufe nach Hilfe und schreie "Gebt acht!". Alle gehen sie ihren gewohnten Tätigkeiten nach, manch einer schaut auf, doch aufhalten lässt sich niemand, beschäftigt im Tun seines Alltags.

Von der Ferne beobachte ich das Geschehen hinten am offenen Tor: Im Gegenlicht steht der Rabbi im Priestergewand dem Mann gegenüber, hält ihm einen Habit entgegen und fleht ihn an um Verstehen: Wenn Göring seit einer Woche unauffindbar ist und seine Tracht nicht trägt, er trug sie doch immer, dann ist etwas nicht in Ordnung, ganz und gar nicht in Ordnung. Verächtlich schüttelt der Mann die Hand des Rabbis ab. Er glaubt ihm nicht. Er hält das für unsinniges Gerede. Ganz ruhig nun schaue ich mir das an und weiß, daß ich sagen kann was ich will, es wird in den Ohren der Andren unsinniges Gerede sein, es wird verächtlich abgetan werden. Alles wird seine Gänge gehen und nichts und niemand wird das stoppen. Mit dem Rabbi sollte ich sprechen, doch das fällt mir erst nach dem Aufwachen ein.





Es fing alles damit an, daß der Rechner nur noch im Liegen laufen wollte. Für einige Wochen war ihm das gegönnt, da aber die Laufwerke im Liegen nicht gehen, kam Freitag vor einer Woche der Computerdoktor. Dem müden Rechner muss auf die Beine geholfen werden. Es gelang dies rasch, innerhalb von einer Stunde stand der Rechner und rannte, beim Anschließen des Druckers aber, war es Zufall oder nicht, dann dieses Piepsen: Grafikkartenalarm! Vorbei das Hochgefühl "in einer Stunde haben wir es geschafft!", stattdessen Tage und Nächte voller Arbeit und Hurra und Enttäuschung und Arbeit. Die ganze Geschichte hätte in weniger als sieben Tagen erledigt sein können, am Dienstag standen Rechner und Internetverbindung, dank einiger Helfer und den Mitarbeitern der Hotline. Die hoffentlich nicht zu sehr verzweifelt sind. Die auch nichts dafür können, wenn ein Teilnehmer sein Passwort nicht mehr findet. Nunja. Manche Leute müssen halt etwas länger warten, bis sie wieder onlinefähig sind.


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15.08.04

Ganz klassisch: Auf der Suche nach einer virtuellen Geburtstagskarte, und diese soll witzig und animiert sein, finde ich so einiges. Tanzende Kühe, fliegende Luftballons, lachende Blumen; schöne passende Karten, doch alle sind so still. Soundeffekte müssen her und sind partout nicht zu finden. Erst als eine mail ohne das "ping" kommt bemerke ich das Fehlen sämtlicher Töne meines Rechners. Vor Jahren schon mal kroch ich durch die Tiefen des Windows auf der Suche nach den Tönen und wieder versuche ich es, doch fehlen mir heute die Nerven, es wird immer später. Diese Karte muss noch heute gefunden werden, also hole ich meinen Sohn zu Hilfe. Der öffnet erst einmal den Liederordner, klickt auf einen Titel und es bleibt still. Erst als er die Boxen aufdreht, beschallt Apocalyptica den Raum. Grinsend verzieht er sich und ich bleibe zurück mit der Frage, wie das nur passieren konnte.





Die Zeit heilt alle Wunden, sagen sie, und es schien so wahr zu sein, wurde so gerne geglaubt. Bis jetzt, fast zwanzig Jahre später sich zeigt, daß es mindestens so schwer ist wie damals, das übriggebliebene Kind zu sein.

Den seit achtzehn Jahren toten Bruder vermissen, der nun länger tot ist als er gelebt hat. Oder: Einen Bruder vermissen.?

Fragile Traurigkeiten. Im Jahre 2010 wird der 13. August wieder auf einen Freitag fallen. Ob dann zurückgedacht wird, an den 13. August 2004? Eine stille Geburtstagsfeier war das. Zum ersten Mal hat er Andeutungen gemacht, über sein Sterben, in Gegenwart des übriggebliebenen Kindes. Fragmentarisches Sinnieren, Murmeln, Schulterzucken, Schweigen. Zum Abschied ein munteres Das Wird Schon Wieder. Irgendwie. Ja, Vater. Ja, Papa, irgendwie wird es.

Spinnwebige Traurigkeiten, die in den Träumen zu Monstern werden. Angst und geklammerte Hoffnung. Was ist denn nun mit dem Glauben an Wunder? Das Lieblingswunder: Der Bruder soll kommen. Die Geschichte vom Geheimdienst soll er erzählen, er soll erzählen, daß der Unfall inszeniert war und eine Plastikpuppe im Grab liegt.

Ach Kind, spinn doch nicht immer so rum. Ach, warum denn nicht. Rumspinnen hilft gegen Spinnweben, irgendwie.


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11.08.04

Bald in Nürnberg: Die Terrakotta-Krieger


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10.08.04

Natürlich gibt es auch ein Leben nach Berlin. Es besteht zum großen Teil aus Hitze, Arbeit, Kreislaufproblemen und anderen uninteressanten Dingen.





Aktuelle links: Feuer im Anhalter Bahnhof - Diesen S-Bahnhof habe ich zeitlich nicht geschafft anzuschauen, ebenso wie Tempelhof. Natürlich wollte ich auch nach Spandau ... Berlin-links werden seperat gesammelt und zu gegebener Zeit hochgeladen.

Und hier sind erste Bilder meines Berlinbesuchs.





Die junge Frau, die im kurzen Sommerkleidchen den Bahnsteig auf und ab stolziert. "Wie ein Fotomodell" wird die alte Frau später sagen. Doch noch schimpft nur die junge. Über die faulen, dummen Leute, die den ganzen Tag in den Betten liegen. Ihr seid so blöd, so blöd!, ruft sie laufend, laut und aggressiv. Hin und her und her und hin, schimpfend unentwegt. Du bist ja so dumm!, sagt sie und ich fühle ihren Blick auf mir. Wann kommt endlich die S-Bahn? Zum Glück läuft sie weiter. Doch schon wieder nähert sich das Stakkato, ebenso ihre Stimme. Den ganzen Tag im Bett liegen und dann Bier trinken, so dumm, ihr seid alle so dumm. Ich habe kein Bier bei mir, sie kann mich nicht meinen. So dumm in dem Nomadenrock! Sie meint mich. Meine Augen, bisher krampfhaft den Boden betrachtend, wandern nach oben und unsere Blicke treffen sich. Du bist ja so blöd, sagt sie mir ins Gesicht, und zieht Fratzen dabei, ihr seid so faul und dumm und blöd, und sie sagt noch viel mehr, ich weiß nicht was, ich hoffe so sehr, daß die S-Bahn endlich kommt. Sie schimpft und wandert weiter.

Da fängt die alte Frau neben mir auf der Bank an zu reden. "Also ich glaube nicht", wendet sie sich an uns (daß diese junge Frau alle Tassen im Schrank hat, führe ich den Satz in Gedanken weiter), "... ich glaube nicht, daß diese junge Frau recht hat. Ihr habt doch Arbeit, oder?" Verblüfftes Nicken, ja, alle drei haben wir Arbeit. "Das ist gut", fährt die Alte fort. "Es gibt viel zu viele Asoziale in Deutschland, also wenn ich jung wäre, würde ich ja anderswo hingehen, so viele Asoziale, für die man mitzahlen muss, jeder dritte in Berlin fährt umsonst mit den Öffentlichen, stellen Sie sich das mal vor, jeder dritte rennt zum Amt und kriegt dann einen Fahrschein für umsonst, kann das angehen? Und der ganze Dreck, hier in den Treptower Park kann man gar nicht mehr gehen, alles vermüllt und unordentlich, früher war das alles ganz anders, da war das sauber und ordentlich, aber jetzt, das sind doch keine Zustände!" Sie sagt noch viel mehr. Ich höre nicht mehr hin.

Die Junge schimpft links am Bahnsteig und die Alte schimpft mir von rechts ins Ohr, eine unerträglicher als die andre und es ist ganz klar, wer von beiden das ist. Selten habe ich der Einfahrt einer Bahn dankbarer zugesehen als hier und jetzt.

Übrigens waren wir direkt vorher im Treptower Park. Es war ausgesprochen schön und erholsam dort. Müll und Dreck wären mir aufgefallen.


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09.08.04

Berlin ist sehr groß, sehr laut, sehr dreckig und es stinkt. Berlin ist romantisch, freundlich und bunt. Voll von vielem und kaum was.

Wie war es denn in Berlin? fragen sie. Keine Ahnung. Ich hab mich mit mir selbst auf die Antwort "Interessant!" geeinigt.


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08.08.04

Es wird entschmutzt, entlogen und entmüdet; entliebt, entärgert und sogar entödet.

Ich geh mich jetzt entschwitzen.





Die zweite Nacht wieder in heimischen Gefilden und die zweite Nacht hier geträumt von S-Bahn-Stationen. Von Berliner S-Bahn-Stationen. Nichts besonderes, sie waren einfach da und ich war dort. Schlimmer war ein Traum, den ich noch in Berlin träumte. Da wurden die Stationen nämlich entführt und der Verdacht lag schwer im Traum, daß sie auch ermordet wurden.


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06.08.04

Vergangene Nacht um kurz nach eins im Zug. Letztes Mal hatte er noch auffallend lange Haare, jetzt gar keine mehr. "Servus, lange nicht gesehen, wo kommst du denn her um die Zeit, ich war gerade auf dem Dio-Konzert, sehr geil!" erzählt er drauflos. Woher ich den kenne, will mein Sohn wissen. Ich kenne ihn vom Zugfahren. Doch wer ist dieses Mädchen, das meinen Sohn mit einem langgezogenen "Halloooo" anstrahlt? Kennt er vom Zugfahren. Hier im Ort ist das so. Wir sind wieder da.

Koffer hab ich keinen dort gelassen und auch keinen Rucksack. Nicht mal eine winzigkleine Plastiktüte. Irgendwas aber blieb dort, ich weiß noch nicht genau, was es ist.




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