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notiert31.05.03Manchmal schau ich Werbeprospekte an. Innerhalb weniger Tage wurden von verschiedenen Geschäften elektrische Pfeffermühlen mit Beleuchtung angepriesen. Jeweils stark preisreduziert. Dies nun wundert nicht. Oder bin ich zu blöd zum Erkennen irgendeines Grundes, warum sich irgendein Mensch eine elektrische Pfeffermühle mit Beleuchtung kaufen sollte? Wie überhaupt kommt jemand auf die Idee, eine elektrische Pfeffermühle mit Beleuchtung zu entwickeln? Hat er im Dunklen zum Salzstreuer ohne Beleuchtung gegriffen und die Suppe versalzen? Wollte er nicht in Gefahr laufen, sie auch noch zu verpfeffern? Will er die Menschheit schützen vor so Katastrophen? Warum eigentlich hat er im Dunkeln gekocht? Glühbirne kaputt oder Strom abgedreht? Ist die Mühle mit Beleuchtung etwa für die armen Menschen, die sich keine Ersatzglühbirne leisten, geschweige denn die Stromrechnung bezahlen können und einen Gasherd besitzen? Das wird es sein. Der Erfinder der elektrischen Pfeffermühle mit Beleuchtung ist ein Barmherziger, der eine Heldentat vollbracht hat. Er sollte den Gedanken ausbauen. Vielleicht beleuchtetes Besteck entwickeln, daß niemand die Suppe aus Versehen ausgabelt. Dieser heurige Mai möchte wohl unvergessen bleiben, warum sonst hätte er sich an seinem letzten Tag noch die Krone aufsetzen sollen. Blubbern in der Wand statt warmes Wasser, eine sich über mein unlächelndes Gesicht mokierende Verkäuferin, die mich ständig duzt (nein, das stört mich nicht, es erstaunt nur), ein bärtiger Schildträger, der einsam die Hauptverkehrsstraße entlangläuft und mehr verwundernde Kleinigkeiten, jede für sich der Rede wert an einem normalen Tag, einen Tag wie heute überdauern sie kaum. Es ist kein normaler Tag, wenn ein wildfremder Mann dir einen Teil seiner Lebensgeschichte erzählt, dabei Photos seiner Eltern zeigt und aus dem Weinen kaum mehr rauskommt. Später findest du dieses Ding auf dem Weg, stößt mit dem Fuß dagegen, ein Zweig? die Form macht dich neugierig und du hebst es auf, drehst und wendest es und entdeckst das Gelenkknöchelchen, erkennst, daß das braunschwarze Teil weder Stein noch Holz, sondern ein Körperteil ist, Schwanzende eines Tieres oder Menschenfinger, keine Ahnung. Am Abend besuchst du Freunde und erfährst nebenbei, daß gestern abend ein gemeinsamer Bekannter im Plastiksack aus dem Haus getragen wurde. Mit 44 Jahren erreichte er ein hohes Alter für einen, der seit Jugendzeiten Drogen: spritzte, snifte, rauchte und soff. Als ich ihn kennenlernte, vor 20 Jahren, war er ein hübscher Kerl und manchmal auch nett. *** 30.05.03Nebeneinander stehen, auf eine technische Anlage blicken und über deren Funktionsweise sprechen; dabei berühren sich die Armhärchen der beiden, zartestes Streicheln; tief Luft holen und Härchen drängt gegen Härchen, kurz und heftig, dann wieder Streicheln, sanft, zart; keiner rückt zur Seite, während sie über die Technik sprechen. *** 29.05.03Mein blödes Internet. Seit Wochen surfe ich portionsweise, die mir zustehende Surfzeit beträgt zwischen 2 und 34 Minuten (34 war nur einmal, die durchschnittliche Verweildauer in der weiten Welt beträgt zwölf Minuten). Dann beginnt ein Licht am Modem rot zu blinken und kurz drauf erscheint die Meldung, daß die Verbindung getrennt wurde. Eine direkte Neueinwahl ist nicht möglich. Wenn der Stecker des Modems für längere Zeit gezogen und dann frisch eingesteckt wird, dann kann ich wieder für ca. zwölf Minuten ins Netz. *** 28.05.03Als ich vorhin die zerdellte Lenorflasche auf der Straße liegen sah fiel mir der Typ wieder ein. Der mal erzählte, daß er seine ersten Onanierversuche mit eben einer Lenorflasche tätigte. Zum Glück benutze ich kein Lenor oder so Weichspülerkram, sonst müsste ich, sobald ich das Bad betrete, da wohl ständig dran denken. Es gibt komisches Zeugs auf der Welt. *** 27.05.03Ein rundes oder vieleckiges, rund wirkendes Haus mit einem flachen Kuppeldach. Steht umgeben von Wasser, außenrum finden verschiedenste Spektakel statt. Die Spektakel sind oft gefährlich, das Haus ist es immer. Ich bin oft bei den Spektakeln zugegen und suche immer das Haus auf. Dabei muss ich sehr aufpassen, da niemand mich hier antreffen darf, niemand mich sehen. Vor einiger Zeit bin ich ins Haus, um dort das Badezimmer zu nutzen. Das ging die Nacht über gut, bis ich am sehr frühen Morgen auf dem Weg zum Bad den Bewohner des Hauses sich streckend, erwachend im Bett vorfand. Es war Frank Zappa und ich bin schnell geflohen. *** 25.05.03Alles über den Grand Prix inklusive allen Liedern zum Anhören. *** 24.05.03So. Da wird heute abend also ein Skandal erwartet: "Die Verantwortlichen der Eurovision befürchten, dass die beiden 18-Jährigen die Live-Übertragung der Familiensendung in einen Skandal verwandeln könnten." Es geht um t.A.T.u. und die "lesbisch-erotischen Videos und Bühnenshows." Der BGH sieht die bisherige Rechtssprechung beim § 21 StGB für überprüfungsbedürftig: *** 23.05.03Was haben Dinosaurier, Eulen und irische Polizisten gemeinsam? Wieder stehen die Männer zusammen in der Bahn. Der Große mit dem Schnurrbart erzählt eine Geschichte, woraufhin alle in Gelächter ausbrechen. Einer hat nicht verstanden und frägt nach, woraufhin der Große erneut erzählt: "Wenn du ins Internet gehst und die Adresse wwwpunkthypobindestrichkrupppunktcom eingibst, also com, nicht de, dann öffnet sich eine Seite, auf der eine Rose zu sehen ist. Darunter steht dann: Hier eröffnet demnächst das europagrößte Portal für Erotik. Darüber lachen die Männer in der Bahn. Sie lachen schon wieder. Es gibt einige gute Gründe nach Berlin zu fahren, dieser Museumsanbau ist ein weiterer. Dieser Artikel ist so scheiße. Dazu fällt mir nur dieser Scheißsatz ein. (Was wäre denn, wenn die Frau Dackel mit sich geführt hätte?) *** 21.05.03Es gibt neue Postkarten. Außerdem eine überarbeitete Linkliste. *** 18.05.03Die letzten Maibilder sind online. Die alte Frau wartet geduldig, bis das Tor geöffnet wird, dann schiebt sie den Rollstuhl mit dem Mann darin hindurch in den Hof. Beide sind sie alt und altmodisch und grau ist ihre Kleidung. Sie lassen den andren Menschen den Vortritt, von denen einer nach dem andren hinein zur Kasse geht, kurze Wortwechsel, dann rattert die Kasse und Geldschein oder Münze werden getauscht mit der Eintrittskarte. Die Kassenfrau tritt nun heraus auf das alte Paar zu. "Es führen 62 Stufen nach oben. Und es gibt hier keinen Fahrstuhl." Über das Gesicht der Frau legt sich eine weitere Schicht Elend. Der Mann erwacht aus seiner Eingesunkenheit: "Kann meine Frau alleine gehen? Ich warte im Vorraum" und er deutet aufgeregt in die offene Tür, "die wenigen Treppen schaffe ich." Ehe- und Kassenfrau tragen den Mann über die wenigen Stufen ins Haus, setzen ihn auf einen der Stühle, ein Gast bringt den Rollstuhl hintendrein. In gebrochenem Deutsch frägt die Frau, was sie zu zahlen hat. Die Begleitung eines Schwerbehinderten, der Anspruch auf eine Begleitperson hat, muss nichts bezahlen, so steht es in der Vorschrift. Die Frau muss nichts bezahlen. Beide bedanken sich herzlich. Noch immer gramvoll die Frau, der Mann aufgeregt. Vier Stunden Schlaf in bald 36 Stunden, von denen 20 mit Arbeit verbracht wurden und gut die Hälfte des Rests mit Hin- und Herfahren und Duschen und Umziehen und diesem Zeug sind wieder mal entschieden zu wenig. Kein Zustand, in dem sich Windstärke feststellen lässt. - Möchten Sie einen Straßenkreuzer kaufen? Die junge Frau sitzt auf der Wendeltreppe im 3. Stock. Ob es einen Aufzug in den 4. Stock gibt? Ja, hier hinten um die Ecke, aber bis Sie dort ankommen, sind Sie die Treppen auch gelaufen. Freundlich lächelnd mit einem nur leicht bitteren Zug um die Lippen schüttelt sie den Kopf: "Ich bin eine Frau mit Höhenangst." Oh. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg zum Aufzug. "Danke. Wissen Sie, Höhenangst kommt bei Multipler Sklerose häufig vor." Morgen ist Museumstag! *** 16.05.03Der Maisturm vereinigt sich im blauen Trubel mit dem Wirbel und beginnt sein Werk. Durchtobt die Monate, zieht und schüttelt und zerrt an Zeit und Mensch und Traum, verlöst Leben, Welt und Augenblicke. *** 14.05.03Die Männer stehen wie immer in Kleingruppen zusammen. Heute fällt auf: sie lachen viel. Die Anzug- und Jeans- und Stoffhosenmänner, alle lachen sie. Beim Ohrenspitzen wird klar, sie lachen alle über eins: den FC Bayern München. Deshalb. *** 10.05.03Letzten Donnerstag wich ich vom Wege ab, nachdem ich das Ausstellungsplakat sah und betrat das alte Rathaus durch die offene Tür. Dort fand ich phantastische Plakatkunst aus Krakau Neues vom Museum, das es noch nicht nicht gibt Und wieder mal Bündnis gegen Depression: Alfred Adler Max Adler Viktor Adler Peter Altenberg Martin Andersen-Nexö Frank Arnau Schalom Asch Raoul Auernheimer Julius Bab Bela Balazs Theodor Balk Henri Barbusse Otto Bauer Vicki Baum Johannes Becher Walter Benjamin Richard Beer-Hofmann Richard Arnold Bermann Hugo Bettauer Otto Julius Bierbaum Franz Blei Ernst Bloch Josef Bornstein Felix Braun Julius Braunthal Bertolt Brecht Willi Bredel Fritz Brügel Ferdinand Bruckner Hermann Broch Max Brod Martin Buber Richard Coudenhove-Kalergi Franz Theodor Csokor Carl Dallago Alfred Döblin John Dos Passos Kasimir Edschmid Albert Ehrenstein Albert Einstein Carl Einstein Sandor Ferenczi Lion Feuchtwanger Ernst Fischer Marieluise Fleisser Hans Flesch-Brunningen Friedrich Wilhelm Foerster Oskar Maurus Fontana Bruno Frank Leonhard Frank Anna Freud Sigmund Freud Alex Moritz Frey Egon Friedell Solomon Friedländer Andre Gide Jean Giraudoux Claire Goll Yvan Goll Oskar Maria Graf Stefan Grossmann George Grosz Karl Grünberg Emil Julius Gumbel Willy Haas Hans Habe Irene Harand Maximilian Harden Jakob Haringer Jaroslav Hasek Walter Hasenclever Raul Hausmann Julius Hay John Heartfield Werner Hegemann Thomas Theodor Heine Max Herrmann-Neisse Wieland Herzfelde Franz Hessel Kurt Hiller Magnus Hirschfeld Odön Horvath Richard Huelsenbeck Hans Henny Jahnn Oskar Jellinek Franz Jung Franz Kafka Georg Kaiser Mascha Kaleko Alfred Kantorowicz Erich Kästner Gina Kaus Karl Kautsky Bernhard Kellermann Hans Kelsen Alfred Kerr Hermann Kesten Irmgard Keun Egon Erwin Kisch Klabund Arthur Koestler Oskar Kokoschka Annette Kolb Alma Johanna König Paul Kornfeld Siegfried Kracauer Theodor Kramer Karl Kraus Max Krell Alfred Kubin Adam Kuckhoff Anton Kuh Else Lasker-Schüler Otto Leichter Rudolf Leonhard Theodor Lessing Sinclair Lewis Mechtilde Lichnowsky Ernst Lothar Prinz Huburtus zu Löwenstein Emil Ludwig Josef Luitpold Georg Lukacs Rosa Luxemburg Andre Malraux Heinrich Mann Klaus Mann Thomas Mann Hans Marchwitz Ludwig Marcuse Karl Marx Franz Mehring Walter Mehring Julius Meier-Graefe Peter de Mendelssohn Gustav Meyrink Karin Michaelis Erich Mühsam Robert Musil Hans Natonek Alfred Neumann Robert Neumann Otto Neurath Balder Olden Rudolf Olden Max Osborn Carl von Ossietzky Karl Otten Ernst Ottwalt Hertha Pauli Franz Pfemfert Oskar Pfister Kurt Pinthus Erwin Piscator Theodor Pleivier Heinz Pol Alfred Polgar Adelheid Popp Walther Rathenau Fritz Reck-Malleczewen Erik Reger Gustav Regler Wilhelm Reich Theodor Reik Erich Maria Remarque Ludwig Renn Karl Renner Emil Alphons Rheinhardt Joachim Ringelnatz Roda Roda Joseph Roth Alexander Sacher-Masoch Nelly Sachs Hans Sahl Felix Salten Willi Schaber Rene Schickele Willi Schlamm Arthur Schnitzler Ernst Schönwiese Kurt Schuschnigg Anna Seghers Walter Serner Carlo Sforza Ignazzio Silone Hugo Sonnenschein Jura Soyfer Otto Soyka Wilhelm Speyer Hilde Spiel Paul Stefan Rudolf Steiner Carl Sternheim Bertha Suttner Emil Szittya Adrienne Thomas Ernst Toller Friedrich Torberg B. Traven Siegfried Trebitsch Leo Trotzki Karl Tschuppik Kurt Tucholsky Bobo Uhse Fritz von Unruh Berthold Viertel Jakob Wassermann Armin T. Wegner Erich Weinert Ernst Weiss Guenther Weissenborn Franz Carl Weiskopf Franz Werfel Fritz Wittels Friedrich Wolf Theodor Wolff Karl Wolfskehl Paul Zech Heinrich Zille Otto Zoff Carl Zuckmayer Hermynia zur Mühlen Arnold Zweig Stefan Zweig: *** 9.05.03"Es entbehrt nicht der Ironie, dass ich neuerdings unter amerikanischen Linken und bei vielen Europäern als "guter" Amerikaner gelte. Ich bin bestimmt kein besonders liebenswürdiger oder vorbildlicher Mensch." Neues im Fall Zündel. Warum ist dessen Dreckspage eigentlich noch immer/schon wieder online? Gestern war ich für rund sieben Stunden krank und das war so: Um halb vier am Nachmittag legte ich mich schlafen, zwar war ich kein bißchen müde, doch schlafen an freien Tagen ist Standard. Um halb fünf aufgewacht und sterbenskrank gefühlt. "Danke und Auf Wiedersehen, einen schönen Tag noch!" Das Museum, das es noch nicht gibt. *** 6.05.03Schön, sich mit einem zufriedenen Kunden zu unterhalten. Interessant zu erfahren, wie er als Amerikaner die Sache hier betrachtet. Beklemmend zu hören, daß an seinem Arbeitsplatz in China kurz nach seiner Abreise Fälle von SARS bekannt wurden. *** 5.05.03Mit dem Kirschbaum bin ich groß worden, er steht im Garten meiner Eltern. Vor 30 Jahren war er schon riesig, ich hab ihn bewundert und erklommen und seine Kirschen waren und sind sehr gut. Die Oma hat sich immer geärgert, wenn die Stodln, so nennt sie die Stare, und Amseln den Baum geplündert haben. Dann beugte sie sich aus ihrem Schlafzimmerfenster und klatschte wie besessen in die Hände, um die Vögel zu vertreiben. Wenn Vögel lachen könnten, hätten sie das sicher gemacht. Meine Großeltern haben dann Glocken und Stanniolpapier in den Baum gehängt, das alles mit Schnüren verbunden und mit einer Hauptschnur, die konnte die Oma vom Schlafzimmerfenster aus ziehen und es läutete und raschelte und blinkerte wie wild. Hat die Vögel aber auch nur am Anfang gestört. Irgendwann hingen große runde gelbe Scheiben in den Ästen, viele Vollmonde, hab ich damals gedacht, das sah schön aus. Ich glaube, daß die Scheiben klebrig waren und dem Insektenfang dienten. *** 3.05.03Auf dieses Buch habe ich lange gewartet. Das Finden von nie Gesuchtem. Die großen dicken schweren Wolken ziehen gemächlich über den blauen Himmel, erinnern an Elefanten, die groß und dick und schwer gemächlich über die Steppe ziehen. Vielleicht sind dies die Elefantenseelen, weiß durchwandern sie den Himmel, während weiße Knochen auf dem Elefantenfriedhof ruhen, nie mehr wandern werden. Vielleicht sind die Wolken die Seelen der toten Wesen. Behäbig und quirlig, schwarz, weiß und bunt, luftig und ballig; das alles sind die Wolken und vielleicht die Seelen, von Elefanten, Flundern und Raben, von Drachen, Elfen und Gnomen. Zwei Fußballfans in Uniform treffen sich auf dem Bahnsteig, "Mensch Hans, du alte Clubsau", dann langweilige Fachsimpeleien, denen sich der kleine Sohn entzieht, lieber um den Süßigkeitenautomat turnt, um nach geraumer Zeit zurück zu den Männern zu rennen, "He Papa, du alte Clubsau!"; dieser erstarrt. *** 1.05.03Alles neu macht der Mai, macht zwar mich nicht frisch und frei und leider auch nicht den Netzzugang, doch maienfrisch die Bilderseite. ***
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