sammlung



notiert

sequenzen




notiert



31.10.02
Sie wusste genau, wie das damals war. Ach Kind, sagten sie dann, das ist unmöglich. Du warst viel zu klein damals. Sie erinnerte sich an den Nachbarn und an sein Auto, an die Fahrt mit der Oma und an das Haus mit den Treppen. Das werden wir Dir erzählt haben, sagten sie, Du kannst Dich nicht erinnern können.Sie wusste auch andre Dinge. Ach Kind, seufzten sie, woher hast Du nur Deine Phantasie. [Und sie begann zu phantasieren. Irgendwann glaubte sie sich zu erinnern, doch Erinnerung war nicht vorhanden. Und dann auch kein Glaube mehr. Doch das ist eine andre Geschichte.]

Zwanzig Jahre später ein Arzttermin, sie betritt das Krankenhaus und steht im Raum mit den Treppen. Blickt aufs Schild: Zur Entbindungsstation. Keine Genugtuung oder gar Triumpfgefühl, aber beruhigend: Hier wurde der kleine Bruder geboren, hierher brachte der Nachbar ein kleines Mädchen und die Oma. [Noch eine andre Geschichte: Schon lange nicht mehr wichtig, auch nicht die andren Erinnerungen. Sie kommen und gehen, vielleicht sind sie wahr, vielleicht nicht.]

Ach. Jedes Jahr Geburtstag, jedes Jahr Todestag. Seit vielen Jahren. Der kleine Bruder wurde groß und gleich darauf tot. Kürzlich wieder ein Geburtstag, ein besonderer diesmal. Denn jetzt beginnt der Countdown. Bald (wie relativ) wird er länger tot sein als je gelebt zu haben. Und das wird sich dann nicht mehr ändern. Irgendwas daran ist verdammt schlimm.
Das war es, was erzählt werden wollte.




Bei dem von Zirbel gelinktem Bild Kreuzigung fällt mir Hannah Wilke ein.

* * *


30.10.02
Erfindermesse. Als Kind hab ich mal Schuhe für Frauen erfunden mit verstellbaren Absatzhöhen. Damit sie nicht so viel Schuhe haben müssen, die Frauen. Genau das wurde dann mal irgendwann später als Neuheit aus Italien oder so bei einer Modenschau vorgestellt, hab ich in einer Frauenzeitschrift gelesen, wahrscheinlich im Wartezimmer eines Arztes. Oder so.

* * *


29.10.02
Ob auch im alten, siechen Körper noch das kindische Wesen hausen wird; sich fürchtend vor Knisterkrokodilen und Gespenstern, Zuflucht suchend beim Verschweben in traumgewebten Luftpalästen. Hoch droben im flitterglittersiebten Himmel.
Fragezeichen? Wozu.

* * *


28.10.02
Also ganz im Ernst, ich arbeite wirklich gern. Mag den Arbeitsplatz, die unregelmäßige Arbeitszeit und die Kollegen meistens auch. Dazu nicht ganz unwesentlich: "Arbeiten gehen ist Urlaub machen vor mir selbst", pflegt m. zu sagen und dem kann ich mich aus ganzem Herzen anschließen. Da ist man doch irgendwie aufgeräumt, so in (auf??) der Arbeit. Dennoch lässt sich nicht leugnen, daß ich mich in den vergangenen sieben Tagen an das Freihaben gewöhnt habe. So zum Schluß hin war das wirklich nett und hätte noch ein Weilchen so weitergehen können. Ein, zwei Tage noch, dachte ich gestern, das wäre schön, dem langsam spürbaren Erholungseffekt noch ein wenig Zeit zum Entfalten geben, ein Tag wenigstens noch Ausschlafen und Rumlümmeln und Nichtstun. Hilft nix, die freien Tage sind vorbei, Wecker schellt, verquollenes Fertigmachen, hastiges Hausverlassen, übliche Zug- und Busnervereien, alles normal. Guten Morgen also in der Arbeít, doch anstelle der Freude in den Gesichtern der Kollegen - und das hatte ich schon erwartet, daß die Herren sich freuen mich wiederzuhaben - betretene Mienen. Was ist los? "Also Mädchen..." (Die Anrede ist in dem Fall erlaubt, lässt mich jedoch Furchtbares ahnen), "was machen Sie hier? Sie sind doch erst morgen wieder eingeplant..."
Guten Morgen!

* * *


27.10.02
Noch ist nicht Montag, doch die Zeitung ist schnell. Bericht über hiesige Auswirkungen des Sturms. Der Baum gegenüber steht noch.




Nach alldem bablanalem Geblubber hier ein wirklich sinnvoller Link. Sinnvoll im Sinne von bildend und erheiternd.




Mein Sohn hat wieder mal recht: Die googeligen Picassoo ähneln wirklich dem Mac-man:


Die Seite kann ich nicht ungerührt betrachten.
Der nächste wieder, irgendwann, bestimmt.




Spazierengehen bei Wind und Sturm ist was Schönes. Beim Kippen von Verkehrsschildern und Bauzäunen jedoch ist es ratsam, Zuflucht in der Wohnung zu suchen. Auch von Drinnen betrachtet ist das da draußen nicht mehr schön. Da heulen auch schon die Sirenen, schwach vernehmbar im Lärm des Sturms. Der Baum vor meinem Fenster neigt sich bedenklich in die falsche Richtung. In meine.




Schon ein bißchen ungewöhnlich, nachts um drei putzmunter aufzuwachen, eine Stunde rumwurschteln und dann um drei wieder ins Bett zu gehen. Anschließend in einer wohlvertrauten Wohnung Tapeten repariert. All die vielen Löcher in der rauchvergilbten, ehemals sehr hellen Tapete mit Zeitungsausschnitten, auch vergilbt, zugepuzzelt. Sehr interessante Effekte, auch schön. Den Übergriff samt darauf folgenden Kampf hätte es nicht gebraucht.


Bald wird es meinem Traumhaus in der Stadt ebenso ergehen. Weiß nicht, warum mir das echte Schmerzen bereitet. Sind doch nur Steine.

* * *


26.10.02
Stimme, Tonfall, Aussprache sind mir wichtig.

Arno Schmidt hören?

Diese Stimme wirkt - gewöhnungsbedürftig.





Zwei Tage nun also ohne neu aufgetretene Belastungen. Hm. Was hat das Leben vor? Warum will es in Sicherheit wiegen? Was, was bitteschön ist da im Anflug? "Ach nein" winkt sie lachend ab, "ist nur Spaß. So mißtrauisch bin ich doch gar nicht. Wenn mal eine Woche oder so nichts passiert, da kommen dann manche Gedanken, aber doch nicht jetzt."




"Das ist alles was ich dir sagen kann
vielleicht ists besser wenn ich es wieder schreibe
es ist nichts - nichts von Bedeutung
es ist nur alles was mir einfällt heut Nacht

Das sind Geschichten
in Büchern gelesen
Geschichten aus dem täglichen Leben
Geschichten die mir niemand glaubt
Das sind Geschichten
und sie sind geklaut"

[von: Fehlfarben]

* * *


25.10.02
Gute Nacht.


Beim mühsamen Lesen einer kleingedruckten, eher unübersichtlichen Liste in einem Buche mit der rechten Hand unwillkürlich nach der Maus tasten, die Suchfunktion nutzen wollen: Das ist bedenklich.

Auch bedenklich der Gedanke, ob das Gegenteil von Antiquariat das Proquariat sein könnte.


Ohhhhh:

"Ordnung ist die Lust der Vernunft,
aber Unordnung ist die Wonne der Phantasie".

- Paul Claudel - (vonda)





Eben kam der Anruf. Der krebskranke Patient, der Eine oder die Andre erinnert sich, ist nun ein exkrebskranker Patient. Nein, exkrebskranker Mensch. Nachdem das Karzinom durch Bestrahlungen und Chemo verschwand, durch eine prophylaktische Op sein Zustand lange Zeit so schlecht war, daß um sein Leben gefürchtet wurde, konnte er heute aus dem KH entlassen werden. Nach wochenlangem zwei Schrittchen vor, drei Schritte zurück, kamen nun die Sieben-Meilen-Stiefel zum Einsatz. Mein Vater wird, wie es aussieht, nun gesund weiterleben, nächstes Jahr seinen 60. Geburtstag feiern können. Ohne Speiseröhre halt, doch was soll´s.

:-)




Yes!




Sieben freie Tage, heute ist der fünfte, bisher verlief keiner ohne Aufregungen, ohne Ereignisse, die geplanten und erfreulichen Dingen im Weg standen. Für heute hat sich nichts angekündigt. Ein fremdes Gefühl: Es liegt ein Tag ohne Belastung vor mir (schön wäre am Abend derselbe Satz leicht verändert: hinter mir). Und ganz klassisch-gemütlich begann ich ihn mit Ausschlafen --- (und prompt fällt das Geträume der Nacht über mich: in Bad Steben, Vergangenheit erkunden, Wohnung suchen, viel Wasser fliesst den Hang hinab, eine wilde Busfahrerin, vielleicht 75 Jahre alt, steuert den Bus ausgelassen bergab, alle überleben, die Wagenladung voll ca. 75jähriger Damen und ich auch, das wahrhaft Spektukaläre, Spektakuläre des Traums: Ich hab den richtigen Zug erwischt - ein Zeichen? nach Bad Steben ziehen?), also Ausschlafen, Kaffeetrinken und Zeitungen lesen:

Junge Frauen stehen auf ältere Männer. Dem Artikel entnehme ich, daß ich nach der Definition der dpa noch ein paar Jahre eine junge Frau bin und mich mit meiner Neigung zu grauen Schläfen in der Minderheit befinde. Diese Neigung schließt jedoch eine Leidenschaft für junge Zöpfe nicht aus. Um das mal rein haartechnisch zu betrachten.

Gisela Elsner im Theater. Vor dem Ansehen, Anlauschen werden aber die Riesenzwerge zuende gelesen. Allerdings ohne Nachwort, dafür in Leinen.

Ein Regenbogen über Lauf.

Und noch:



* * *


24.10.02
Ich habe ein merkwürdiges Gefühl beim Hochladen der neuen Photorubrik (der Treppeneffekt war unbeabsichtigt, umso schöner finde ich ihn). Nicht schlecht, nicht gut, nur merkwürdig. Falls das Erwartete eintritt sag ich Bescheid. Wenn es nicht eintritt, vielleicht auch.


Wäre es nicht sinnvoll, vernünftig gar, was immer man darunter verstehen mag: Den letzten seidenen Faden sauber abschneiden anstatt ihm beim Zerreißen zusehen. Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, sogar vernünftig, aber: Nein.


Für den nächsten, der sich auf der Suche nach Eiersalat mit Schinken hierher verirrt: Es gibt hier keine Rezepte und wird es wohl auch nie geben. Als eingefleischte (ausgefleischte?) Ovo-Lacto-Vegetarierin biete ich aber gern dieses Rezept an. (Ui, klingt echt lecker!).

* * *


23.10.02
Sehr schade: Fischrock muss aufgeben.




Achja, zum Fernsehen wurde ich genötigt und das war gut so. Sonst hätte ich die Musicalfolge von Buffy verpasst...
Hören und Schauen kann man auch. Letzteres leider nur nach Registrierung.

Vorhin fünf Minuten TV-Werbung ohne Ton gesehen, festgestellt, daß Babies zwar mit teurer Windel, doch ohne Zudeck schlafen, daß Geiz geil sein soll, daß Düfte für mein Wohlbefinden sorgen und Rillen für die Sicherheit. Oder so ähnlich oder umgekehrt? Man kommt barfuß auf die Welt und geht ebenso von ihr, das hab ich die im Fernsehen auch schon sagen hören. Viel länger als fünf Minuten hab ich dann auf dieser Best-of-Werbung-Seite verbracht. Über Rillen aber nichts gefunden.




Liebste beste kleine Große, Du wahnsinniges Wesen: Allerbesten Dank!

* * *


22.10.02
Ein Mädchen in der Buchhandlung greift nach einem Buch. Der alte Mann, Opa vielleicht, Zeitung unterm Arm, zieht es weg: "Das sind nur alte Geschichten, nur Erinnerungen." Das Mädchen schaut traurig. Zuhause wird es mit der Familie wohl GZSZ oder dergleichen ansehen. (müssen).


Leider habe ich diese Skrupel, fremde Menschen zu photographieren. Zwei Alte heute, spitzwegerische Herren, begutachten eine moderne Skulpur. Niemand hätte sie besser hinstellen können, keine Maske genau diesen Ausdruck auf ihre Gesichter legen.




Dankeschön!





Schön war das noch heute morgen. Der erste Morgenzug, die großen Augen meines Sohnes, die mich putzmunter am Rechner vorfanden und und noch größer wurden beim Erspüren der Nässe unter den nackten Füßen. Ich hab grad den Teppich geputzt. Aha... Freude beim Gedanken an baldiges Hellerwerden (auch so eine Sache, die meist schöner scheint als sie ist: Tagesanbruch), doch kurz nach sieben ist klar: Jetzt in´s Bett und es wird zu keiner Umdrehung mehr kommen. War auch so. Nach genau zwei Stunden in genau derselben Lage erwacht, in der ich einschlief. Zwischendurch war ich Kuchen verkaufen, auf einer Außenterrasse in einen von Nationalsozialisten besetzten Bergdorf.




[05.40h]:
Ich glaub ich hab´s. Jetzt ist auch mit Netscape gut. Mangelhafte css-Datei.


[05.18h]:
Sechsundreissig Umdrehungen in fünfzehn Minuten, Augenbrennen, endlich werden die Atemzüge ruhig, da höre ich die Geräusche. Ganz fein nur, undefinierbar, unerträglich. Schlafentzug macht Stimmung hell, also werde mich um die Schriftgröße kümmern. Die Geräusche enttarnen sich als Regen. Keine Spinnen, keine Geister, keine akustischen Halluzinationen, lediglich Regentropfen.


[03.58 h]:
Eine Stunde im Bett: geschätzte 678 Lageveränderungen, Schmerzen in den Schläfen wegen dem Rattern dahinter, Unruhe im Bauch wegen der Unruhe im Herzen. Aufstehen: auf dem Balkon den Mond anheulen, dann Teppich putzen. Der Versuch nun, ein wenig augenschonender hier zu agieren (Anmerkungen erwünscht, erbeten: erledigt.). Der Versuch gleich, doch auch mal zu schlafen in dieser Nacht.

Nachtrag: Leider wirkt sich die veränderte Schriftgröße auf Netscape 6.2 nicht aus. Aber jetzt kümmere ich mich nicht mehr darum.


* * *


21.10.02
Ich bin zappelig. Hatte Besuch, netten, freundlichen und sehr leibhaftigen Besuch (im Gegensatz zu gestern). Nun geht das Outlook wieder, meine Einkommensteuererklärung ist gemacht und ich hatte zum ersten Mal im Leben eine Digitalkamera in der Hand. Also ausnahmsweise, schließlich bin ich zappelig und nicht ganz Herrin meiner Sinne, Bilder meiner Wohnung. Von der Digitalkamera, natürlich:


Wohnzimmer



Küche :-)



Bilder vom Mond bald, einem verwackelten Mond, der wie ein Ei am Himmel hängt. Mit dem Gedanken, eine Rubrik "Verpfuscht und schön" (oder so ähnlich) auf der Bilderseite einzurichten, spiele ich schließlich schon eine gute Weile.




Guten Morgen übrigens. Ich mag Züge, Bahnhöfe und all das Drumrum. Vielleicht eine frühkindliche Assoziation. Vor jeder Bahnfahrt (und auch zwischendurch) schenkte mir mein Uropa Vitus die besten Bonbons der Welt. Im schon lange nicht mehr existenten Bahnhäuschen nämlich verkaufte der alte Mann mit Mütze, aus seinem Fenster heraus, nicht nur Fahrkarten. Der Opa starb, als ich sechs war. Ist also schon wirklich lange her. Mehr Lust auf Bahn?




schnitte. schmerzvoll und (er-)lösend. lösen befreit, schmerzvolle freiheit. nicht lieber in sicherheit sein? wenn sie golden wäre .... auch nicht. schnip-schnap. schneid dir nicht ins eigene fleisch! ok, gibst du mir deins? willst du glücklich sein im leben, trage bei zu andrem glück, denn die freude die wir geben, kehrt ins eigne herz zurück. mag sein. mag sein, ist oft so. und umgekehrt. [nächtliches kopfgespräch, im halbschlaf]


* * *


20.10.02
Es wurde später als gedacht, ein schöner Abend, ich hatte Gäste. Dummerweise hatten die beiden ihre Fahrräder im Innenhof abgestellt, dessen Zugang um 18.00 h geschlossen wird. Das Nebentor kannten sie nicht. Ein klein wenig nur seufzend, nur innerlich, zog ich mich an, um mitzugehen. Es würde eine lange Wanderung, durch den ganzen Burghof erst, Räder holen, dann den Berg hoch zum Nebentor und alleine wieder zurück. Als wir die Wohnung verließen, stand im Treppenhaus von der ersten Etage bis unten knietief Badewasser, mit viel Schaum obendrauf. Mein junger Begleiter ließ das Faltboot also im zweiten Stock, noch mal seufzend packte ich es und kletterte über das Geländer nach unten. Ich mag keine nassen Jeans anhaben.

Es taugt nichts, sich abends um 21.00 h für eine Stunde schlafen zu legen und erst um 23.00 h wieder aufzustehen.




So viele Traurigkeiten und vielleicht habe ich sie noch nicht alle kennengelernt, doch ich kenne viele, kenne genug. Die bittere Traurigkeit, leer. Verzweifelte Traurigkeit, die Messer in Deinem Bauch dreht, dreht und dreht und dreht. Die fast süße Traurigkeit, ziehend, magnetisch fast, in der man auf- und vergehen möchte, wenn man nur könnte. Eine subtile Traurigkeit, wahrscheinlich immer da, ein Grundgefühl, durchaus in der Lage, mit Heiterkeit Hand in Hand zu laufen. Neu ist derzeit eine begleitende Aggression. (Nicht gegen mich, sonst wäre sie ja nicht neu). So geriet ich zum ersten Mal in meinem Leben beim Schlange stehen im Laden in Streit mit einem andrem Schlangestehenden. Einer Nichtigkeit wegen. Und irgendwie ist das alles wirklich egal, außerdem bin ich kopfplatt. Werde Adventskalender basteln (Danke noch mal für´s Nachfragen und Motivieren). Wird mir guttun, mich mit Dingen zu beschäftigen, die außerhalb meines Selbst liegen. Davon gibt es nicht viel, ich bin so grauenhaft durchlässig.


* * *


19.10.02
Darauf hatte ich mich gefreut. Doch es ist so kalt, es ist so elend kalt. Jetzt kurz vor 20.00 h frage ich mich, warum ich hiergeblieben bin. Hier, Zuhause also, friere ich auch nicht weniger als Draussen.




Auch ein weblog.
(Keine Goldwaagen hier bitte, ich gebrauche den Begriff stets großzügig.)


* * *


18.10.02
Zorn, Neid und Trauer vor 25 Jahren. Warum haben sie sich einfach weggemacht, es hätte doch noch gut werden können. Warum bin ich nicht so mutig, warum warte ich auf ein Geschehen, anstatt es in die Hand zu nehmen. Und Trauer, ja, ich fühlte mich ein Stück alleiner auf der Welt. Ausgeträumt der Traum der Rettung, des heimlichen Heldendaseins. Kein Grund mehr, auf den Straßen des Dorfes den Menschen in´s Gesicht zu sehen, nach Fremden zu spähen, hoffend, ein vom Photo bekanntes Gesicht zu sehen. Die Photos auf den Plakaten, gelb, wenn die Erinnerung nicht täuscht, die damals an den Kuhställen hingen. In einem der Ställe hätte ich zumindest vorübergehend verstecken können, und sie dann ins Hexenhaus gebracht, damals stand es noch. Seltsame Zeit damals, dieser "Deutsche Herbst". Außerdem in diesem Herbst Schulwechsel, Menarche, Tagebucheinträge über Sex Pistols, Peter Frampton, Pink Floyd; Eierhass, und diverse Blickwechsel mit diversen Jungs. Mein Herbst war das nicht.


* * *


17.10.02
Vielleicht war es der Wind letzte Nacht, dieser so besondere Wind, beim Sterben im Freien sollte er und kein anderer um einen sein. Und wer im Zimmer bleibt und heute noch nicht sterben möchte, den trägt er vielleicht zu den steinernen Stätten, den ewigen, zur steinernen, statuettengerahmten Treppe, wie still (s.t.i.l.l.) der Blick nach oben. Oft dortgewesen, nie einen Fuß auf die Stufen gesetzt, vielleicht das nächste Mal, und einmal, irgendwann, möchte ich nach unten schauen. Wenn der Blick dann noch intakt ist.

Guten Morgen. Weiter --->


Das von ewigen Steinen verträumte Wesen der Früh in eine Rausgeherin verwandeln, eine Kollegin und Zumutbare: gelang und hat beinahe Spaß gemacht. Das Geschöpf des Tages also wandelt durch denselben, parlierend und parierend mit Weh und Ach, Melodien im Kopf und Lala auf den Lippen, rote Lippen soll man küssen (doch nicht, wenn sie wund gebissen), schwarz in den Augen und Schmerz im Bauch, but only a little bit, give a little bit of your love to me, lalaaa. Hochmütiges Girren und breiter Dialekt, wie Du mir, so ich Dir, und vielleicht lindert die Zeit Schmerzen, vielleicht heilt sie auch Wunden. Leichtfüßig trippelt sie schwermütig durch diesen Tag, trauerumflort ein Heiterkeitskichern, schmollmündig das Augenblitzen. Und dann, dieser Augenblick nach Nirgendwo gerichtet, das fallende Eichenlaub nicht sehend. Girren, sehnen, blinkern, warten, sein.


Kopfüber in der Badewanne, Wasser rauscht über den Kopf, nebendran rumpelt die Waschmaschine: Singen. Kreischen. Jammern. Flüstern:

I remember when this whole thing began
No talk of God then - we called you a man
And believe me my admiration for you hasn't died
But eeeeeeeeeevery word you say today
Gets twisted 'round some other way
And they'll hurt you if they think you've lied.


Hawa neranena, hawa neranena, hawa neranena wenis mecha. U – ru, uru achim, ur`achim belew sameach, ur'achim belew sameach, ur'achim belew sameach, ur'achim - ur'achim - ur'achim -


We're lost in this masquerade,
both afraid to say we're just too far away from
being close together from the start.
We tried to talk it over but the words got in the way.
We're lost inside this
lonesome game we play.

[Es ist nicht so, daß Texte und Musik als sehr überragend empfunden werden. Jedoch, das ist im Kopf. Und lässt sich hervorragend: Singen. Kreischen. Jammern. Flüstern.]


Am Abend Mensch, nackt, forttragenden Schlaf ersehnend.


* * *


16.10.02


Ach ...



Zwecks Ausgleich auch das
(hier werden Sitzungen unkommentiert beendet):








Dabei ist es doch müßig über den Gewaltakt der Befreiung nachzudenken, wenn Du nicht weißt, wer Dir die Fesseln anlegt.




Drei vielleicht 10-jährige Buben in der U-Bahn. Einer lautstark am Reden, die andren lauschen gebannt: "Eigentlich sollte ich diese Spiele nicht spielen. Wenn ich sie weiterspiele, dann werd ich wie der Typ aus Erfurt." Stolz-heischend in die Runde grinsen.






* * *


15.10.02
Wie war Dein Tag? Was soll der Scheiß, ein Tag gehört doch keinem! Naja, Ansichtssache - ich meinte, was hast Du heute gemacht? Nichts. Aha... (Vorsicht, nun kommt ein lala-Text: lang und [größtenteils] langweilig.

Erwacht kurz nach 12 mit einseitig schmerzender, geschwollener Nase und auch ansonsten er(ge-?)schlagenem Fühlen. Kaffee, mails, Foren und weblogs (u.a. Zirbel und dort das gefunden - die Idee gefällt mir, was ich davon halte, weiß ich noch nicht) bis halb 1, dann muss es sein: Wäsche einsammeln und in die Maschine damit, die erste Fuhre abspülen. Schlafwandlerisch. Kaffeepause um 1. Möglicherweise hülfe beim Ordnung machen ein Protokoll. Lächerlich, langweilig, bescheuert, aber möglich. Ergreifen eines dünnen Strohhalms, ich brauche Ordnung. In keiner Rolle meines Lebens versage ich so gründlich und beständig als in der Rolle der Hausfrau. (Die Oma vor vielen Jahren schon: Du Schlampe wirst nie einen Mann finden, der bei dir bleibt!). Ich will und brauche Ordnung. Für mich. Äußerlich wenigstens.

Zeitunglesen, u.a. die NZ und das gefunden: Günter Grass zum 75. Die Melencolia I, hier. Ich mag das Bild. Ebenso die Adaptation von Prechtl, doch die finde ich im Netz nicht und werde mich hüten, sie einzuscannen. Außerdem muss ich weiter aufräumen.

Müll und Geschirr einsammeln, Papier sortieren, so viel Papier. Bücher und CDs ordnen. Da ist auch schon die Wäsche fertig. Ich auch. (Nicht mit dem Ordnung schaffen). Trockene Wäsche von der Leine.

Nun, kurz nach zwei bin ich kurz vor dem Aufgeben: Da kommt eine sms aus Berlin. Sie fängt jetzt dann mit dem Haushalt an. Wir verabreden uns manchmal zum gemeinsamen Aufräumen. Zu Zweit ist es leichter und ich halte durch. Nasse Wäsche auf die Leine. Ein Joghurt zum Backgammon (gewonnen). Mittlerweile getrocknetes Geschirr in die Schränke, nächste Fuhre abspülen. Eigentlich alles gar nicht schwer, und doch kaum zu schaffen.

Drei Uhr. Der Laden macht auf, einkaufen.

Gestern schon fiel mir auf, daß es Herbst wird. Und über Nacht ist es geschehen. Jetzt z.B. hätte ich gern eine Digitalcamera. Die Verkäuferin im Laden hat sich die Haare dunkelrot gefärbt. Sähe besser aus, wenn sie die Stirn ausgelassen hätte. Sie haben heute hier mal wieder Eiersalat. Vielleicht wird mir diesmal nicht schlecht davon, wenn ich mich nach dem Essen hinlege.

Aufwachen unter einer dunkelblauen Decke aus Stein. Keine Bewegung, kein Gedanke möglich. Grauenhaft und wohltuend zugleich. Es ist halb 6 und ich frage mich, was so ein Tag schon ist. So ein Tun, so ein Schreiben. Was es ist und wozu.

Den Müll zum Runterbringen fertig machen. Leere Flaschen spülen. Nein, leeren. Unfug: Flaschen mit Rest darin leeren. Pflanzen gießen. Geschirr.

Ein bisher unbewusst angewandter Trick: Berichten von den Tätigkeiten, bevor sie erledigt sind. Und da ich nicht rumschwindeln will, wird sich schleunigst drangemacht. Vielleicht hilft´s der einen oder der andren? (Ich kenne keinen Mann mit derlei Problemen). Vielleicht sollte ich den Eintrag gar nicht hochladen, sondern versuchen, ihn an Brigitte zu verscherbeln? Heute auf unseren Haushaltsseiten ...

Bald sieben, mein Sohn half ein bißchen mit. Noch lange nicht, und heute wird das auch nicht mehr geschehen, ist gewischt und gesaugt. Aber ich kann ein wenig freier atmen. Durch die Wohnung laufen ohne balancieren zu müssen.

So. Falls ein heimlicher Verehrer hier mitliest, dann dürfte sich der schon längst vom Acker gemacht haben. (Hallo Oma!) Dabei steht hier gar nichts vom wahren Ausmaß der Katastrophe. Und beim Milchglas fiel mir Bruno ein. Und nun ist Schluß. (Der Zustand der Nase ist unverändert.).




Der Outlook-Express ist kaputt, deshalb maile ich derzeit über die gmx-homepage. Hab ein längst vergessenes Adressbuch dort gefunden. Darin die Adresse eines Jungen, der schon lange tot ist. Beim Überlegen meine ich, daß es, wenige Wochen hin oder her, ziemlich genau 2 Jahre her ist.




Eben beim Beantworten einer mail: Jemand schrieb mir, das Aufsetzen eines strahlenden Lächelns für eine Weile kann den Effekt auslösen, daß man sich gut fühlt. Das hat früher schon nicht funktioniert bei mir, jedoch bin ich gerne bereit, es noch mal zu versuchen. Versuche es also beim Schreiben, da kommt mein Sohn rein: "Was grinst Du so blöd?" Der Effekt wurde ausgelöst. Zwei Menschen sind sich gegenüber und grinsen sich blöde an. Und beginnen zu kichern.


* * *


14.10.02
Arno Schmidt scheint mich zu verfolgen. Wie oft hab ich nach ihm gesucht? Fast nie. Wie oft hab ich ihn gefunden? Sehr oft. Es ist beinahe wie vor 20 Jahren. Vieles ist beinahe wie vor 20 Jahren, doch diesmal möchte ich klüger wählen. Wer weiß. Vielleicht finde ich in 20 Jahren Arno Schmidt und eine vage Erinnerung packt mich: Da war doch mal was? Theoretisch denkbar, praktisch nicht, denn: ich kann nicht 20 Jahre voraus denken. Ich kann es nicht mal 1 Jahr oder ein halbes, konnte es nie. 20 Jahre zurück dagegen, ein Klacks. War das nicht erst letzte Woche?


* * *


13.10.02




Erbärmliche Zustände. Ordnung schaffen wollen und Chaos erzeugen, glätten wollen und alles zerreißen, schlafen wollen und alpträumen. Auskotzen statt ausdrücken, bluten statt malen, schweigen statt sprechen, wimmernd warten statt leben. Erbärmlich und widerlich.




Eine kleine Gruppe mit großem Hund. "Hunde dürfen hier leider nicht rein." - "Was?" - Sie dürfen mit dem Hund nicht rein, es tut mir leid." - "Aber warum?" - "Naja, Hunden ist der Zutritt verboten, es tut mir wirklich leid." - "Aber das darf doch nicht wahr sein! Warum?" - "Verstehen Sie doch, wegen der Sicherheit und vielleicht Hygiene und vielleicht könnte jemand Angst kriegen." (Schon sehr hilflos nun). - "Aber", - auf den großen Mann der Gruppe deutend: "das ist mein Bruder aus Israel!" - "Aber", - auf den großen Hund deutend: "ich meine doch den Hund!" - "Ach so."


* * *


12./13.10.02
Das Leben, meine Güte, dieses Leben. Ist nichts und doch so viel. Vielleicht sogar Alles. Nichts ist passiert, es gibt nichts Neues. Nichts Wichtiges.

Vorgestern abend: um sage und schreibe um halb 12 in´s Bett, um wenigstens einmal auf ca. 6 Std. Schlaf zu kommen. Hätte auch geklappt, wären da nicht die Nachbarn. Was für eine Unart, den Besuch zu verabschieden und zwar im Treppenhaus. Und zwar lang. Sehr lang. Da bin ich raus. Wird vermutlich in absehbarer Zeit nicht wieder passieren. Daß der Besuch lang im Treppenhaus verabschiedet wird. Am nächsten Morgen: (gestern wohl - gestern erst?) Es ist vielleicht auch ein bißchen blöd, jedenfalls unklug, alle aus dem Knoten fallenden Haare, anstatt neu zu knoten, abzuschneiden. Spannung am Abend, beim Lösen des Knotens. Vielleicht könnte ich als Friseurin Geld verdienen. Den Leuten komische Knoten binden, alle rausfallenden Strähnen abschneiden und somit Mode machen. Bzw. einen New Look kreieren. Designen. Hair-Fashion-Designerin.
Ganz am Abend: dann - hach ... War ich mit meinem Sohn im Theater. (Ob ich Das Urteil von Nürnberg noch mal verlinken muss? s.u.). Jederzeit jedem empfehlbar. An´s Herz zu legen. Jederzeit. (Außer es wird locker-flockig-unterhaltende Ablenkung gesucht). Der beein-druckende Satz aus dem Film wurde nicht gesprochen, Richter Haywood zu Frau Berthold: "Ich kenn mich nicht mehr aus." Vielleicht hab ich ihn aber auch nicht gehört. Nichts gehört hab ich auch während der Projektion der KZ-Filme, von der Anklagebehörde seinerzeit als Beweismaterial im Gerichtssaal gezeigt. Jedenfalls während des Hauptkriegsverbrecherprozesses. Ruhe, absolute Ruhe, erst noch das übliche Knistern und Rascheln und Tuscheln und Husten und dann nichts mehr. Niemals vorher hab ich über 500 Menschen so still gehört. Sehr mutig, die Projektion, sehr gut das Stück. Gut war sicher auch das schnelle Wegdrehen. In der Pause. Wenn jemand, noch weit weg, in die Richtung steuert, in der man sich befindet, jemand, mit dem man gern sprechen würde, dann ist es das Beste, sich schnell wegzudrehen und angeregt zu unterhalten. Ganz bestimmt.
Ruhe hab ich mir heute gewünscht, doch da war eine Einladung zu einer Geburtstagsfeier. Nach der Arbeit also zur Geburtstagsfeier, direkt dort hin gegangen, nicht über Los, nichts eingezogen. Nur dem Geburtstagskind zuliebe, der Frau des Vaters meines Kindes, die ich sehr gern mag und schätze. Lustlos hin und ängstlich, und höchstens bis acht Uhr. Dann wurde es elf. Ganz klar. Ängstlich wegen Ratz. Meiner alten Katze. Die ich weggeben musste, zusammen mit Rosalinde, ihrer Schwester. Wegen Katzenhaarallergie, damals vor 9 oder 10 Jahren. Die Symptome der jahrelang ertragenen Allergie wurden unerträglich. Unerträglich waren mir auch Besuche im neuen Heim meiner Katzen. Die Freundschaft zum neuen Besitzer schlief ein, deshalb. Rosalinde wurde vor einigen Monaten eingeschläfert, ich hab sie nie mehr gesehen. Doch heute den Ratz, und als ich sie mit dem, wohl seit damals nicht mehr gehörtem Namen ansprach, in einer stillen Minute, nur wir beide, die Katze und ich, da glaubte ich in ihrem langen tiefen Blick eine Erinnerung zu erkennen. Menschen waren da auch. Ein Vater in seinem Element, ein glückliches Kind, eine müde, sich bald geborgen fühlende Mutter, eine strahlende Ehefrau, ein ehemals bester, immer noch lieber Freund mit gastgebender Freundin. Schön!

Und jetzt ist Sonntag und ich werde nicht müde, doch ich bin müde, ich möchte nicht schlafen, obwohl ich schlafen will, ich möchte erzählen und egal ist´s, wer zuhört. Nämlich, letzte Nacht hab ich Musik gehört, im Traum, es träumte mir nicht, daß ich Musik höre, sondern ich habe sie gehört. Mithören? Das war damals die zweite Langspielplatte, die ich mir kaufte, sie gefällt mir nach wie vor, eine der wenigen Platten, die mich all die Jahre begleitet hat. Ruhe jetzt. Spar Dir die Arbeits- und Zug- und Rabengeschichten. Geh schlafen. Es werden mehr als 6 Stunden, geh schon.


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10.10.02
Nach dem Klingeln des ersten Weckers noch mal hingelegt, nach dem Klingeln des zweiten Weckers nur den Kopf noch mal kurz auf´s Kissen. Jemand erzählt mir eine lange Geschichte, und mit dem Wort Morgenthau sitze ich kerzengerade im Bett und weiß, daß ich längst nicht mehr schlafen sollte.


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09.10.02
Letzte Nacht träumte ich einen Text. Ziemlich kurz, einige Zeilen, fast ein Gedicht und sehr schön. Beim Aufwachen hatte ich ihn noch vor Augen, in meinem Kopf, je wacher ich wurde, desto mehr entglitt er und übrig blieb nur die erste Zeile. Das ist schade, aber nicht schlimm. Immerhin lässt dies hoffen, daß noch Worte in mir sind, daß ich wieder werde sprechen können, Worte haben für andres als nur den Alltag. Nur im Alltag. Dabei kann ich reden, wie ich vielleicht noch nie reden konnte. Doch wenn jemand daher kommt ... wenn da jemand am Telephon ist ... wenn mir wer schreibt ... ein Mensch, mit dem ich sprechen möchte, dann kann ich nicht mal mehr reden.




Zum "Urteil von Nürnberg": Heute in den "Tagesthemen". Außerdem das Interview mit Abby Mann. Mich beschäftigt das ganz außerordentlich.


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08.10.02
Zwei Leute kommen in der Bahn in´s Gespräch, Mann und Frau, schöne Sache eigentlich. Schöner wäre das, zumindest für Mitreisende, wenn die sich Unterhaltenden zusammen sitzen würden. Was sie nicht tun. Jeder an einem andren Ende des Waggons. Ein ebenso lautes wie banales Gespräch über das Chaos der Bahn (dessen Ende vor Anfang Dezember nicht abzusehen ist). Ich will in Ruhe lesen. An Ruhe ist nicht zu denken. (Nirgends und nie, zur Zeit, waren Sie schon mal ein Tennisball besser: Volleyball?) Zuckersüß wie selten: "Sie unterhalten sich so angeregt - wäre es nicht praktisch, wenn sie sich zusammensetzen würden?" Gelächter. Ja, war ein gelungener Witz. Weitere fünf laute Minuten wird nun über den Vorschlag diskutiert und sich dann dagegen entschieden. Heisst das, daß ich nun lesen kann? Nein. Beide unterhalten sich mit dem jeweils Gegenübersitzenden, bzw. texten diesen an, in unveränderter Lautstärke. Die Dame beklagt sich, daß man heutzutage nirgends sicher ist, weil so viele Gangster unterwegs sind. (Gangster, sie hat wirklich Gangster gesagt, und noch viel mehr, doch diesen Schrott will ich hier nicht stehen haben). Der Herr berichtet, daß Schwule keine Kinderfreibeträge von der Steuer absetzen können, dies sei ein großer Nachteil für die Schwulen, die sollten sich das mal überlegen. "Beim Hitler gab es diese vielen Gangster nicht". Muß ich hier sitzen? Muß ich rauchen? Das muß ich nicht. Beim Verlassen des Abteils schließe ich leise, ganz leise die Türe. Um dann qualmfrei und unbelästigt mit Grete und Lore über den Inhalt des Päckchens staunen zu können.





Heute ist der achte Oktober. Am achten Oktober 1871 begann Chicaco zu brennen. Am achten Oktober 1920 wurde Frank Herbert geboren, 1928 Helmut Qualtinger, Am achten Oktober 1954 fand die Uraufführung von Brechts "Der kaukasische Kreidekreis" statt, 1958 wurde der erste Herzschrittmacher eingesetzt. Vor 10 Jahren starb Willy Brandt. Heute beginnt die 54. Frankfurter Buchmesse, vor einem Jahr begann ich mit dem dem "Webloggen", aber das war Zufall, und vor zwei Jahren war Sonntag, ja.


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06.10.02
Nichts Niemand Nirgends Nie !:

[Arno Schmidt]




Vielleicht freue ich mich auf Freitag. Ich weiß noch nicht genau. Eine Theaterkarte jedenfalls ist mir sicher. Darüber habe ich mich gefreut.

Spitzfindig jedoch würde ich folgenden Satz des gelinkten Berichts umformulieren: "Die Amerikaner wollten nicht zuletzt aufgrund der Symbolkraft, die Nürnberg als Stadt der Reichsparteitage und der Rassengesetze für die Nazis hatte, eben hier das internationale Kriegsverbrechertribunal abhalten." Etwa so: "Die Symbolkraft, die Nürnberg als Stadt der Reichsparteitage und der Rassengesetze für die Nazis hatte, spielte bei der Wahl des Gerichtsortes wohl höchstens eine untergeordnete Rolle."

Mehr:

Juristenprozess 1947

Katzenberger-Prozess


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04.10.02
Du versuchst Dir nicht im Wege zu stehen, nicht über die eigenen Füße zu stolpern, die inwandigen Täler zu durchqueren und Gipfel zu besteigen und bist mit alldem genug beschäftigt. Und dann kommt das Leben daher und prügelt Dich mit einem schlechten Witz nach dem andren. Es ist wirklich zum Lachen, aber es ist nicht lustig.

Dagegen ist Warten im Regen auf einen nicht erscheinenden Zug eine Kleinigkeit. Schließlich gibt es Frauen, die ihren Ehemann über Händie bitten, doch schnell zur U-Bahn zu fahren. Schließlich hat man Ohren, um dieses Gespräch mitzuhören, hat einen Mund, um zu fragen. Darf ich auch mit? Und man hat ein dickes Fell. Um den eigenartigen Blick und das zögerliche: Naja... ja... wegzustecken, um eine groteske Autofahrt mit wildfremden Leuten, die natürlich seltsam sind, gelassen hinzunehmen, um gräßlichste Radiomusik am frühen Morgen zu ertragen.

Zum Glück sind da nette Kollegen. Mit denen über Weihnachtsgeschenke geredet werden kann. Ein Kollege kriegt von uns zu Weihnachten ein Loch ohne Käse außenrum. Damit es beim Schmelzen keine Fäden zieht.

Ein Lieber blinkert mir lächelnd zu. Das rettet nicht den Tag, aber fünf Minuten. Oder eine halbe Stunde, dochja. Oder so.








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02.10.02
Am 2.10.1616 wurde Andreas Gryphius geboren:

"Mein sind die Jahre nicht,
Die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht,
Die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein,
Und nehm ich den in acht
So ist der mein,
Der Jahr und Ewigkeit gemacht."


Hier sind weitere Gedichte zu lesen.




Und dann war da noch der Blick aus meinem Fenster. Wer mag, kann mit rausschauen. Und nun ist Schluß mit der Eigenwerbung und Zeit, auf den Boden zurückzukehren.








Wien (dpa) - Ein Vierjähriger hat im österreichischen Linz die Polizei alarmiert, weil ihm die Knödel seiner Oma nicht schmeckten. «Ich will nicht mehr, ich mag nicht mehr», sagte Sebastian nach Zeitungsberichten über die Notrufnummer. Die Polizei vermutete mehr hinter dem mysteriösen Anruf und ging der Sache nach. Die Beamten fanden den Jungen dann tatsächlich vor dem Teller mit Zwetschgenknödeln. Die Oma habe ihm wiederholt erklärt, er solle in Notfällen den Polizeinotruf wählen, rechtfertigte sich das Kind.

[NN]


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01.10.02
Ich suche nie nach Motiven, ich sehe sie und dann photographiere ich. In letzter Zeit sah ich nicht und nichts. Getrübter Blick, nach innen gerichtet. Versuchsweise nach vorne, doch auch das liegt im Dunkeln. Zurückschauen tut manchmal weh, es bleibt der Blick nach oben, so letzthin an einem Sonntagnachmittag, während der Arbeit auf den steinernen Treppen sitzend.




Wochen ist das schon her. Zusammen mit den Kollegen verlass ich am Abend das Haus. Mir wird schwindlig. Sag dem Kollegen, daß ich nicht mit zur S-Bahn laufen kann, daß ich erst noch was tun muss hier. Besorgt sieht er mich, die ich am Boden kauere und im Rucksack wühle, an. Was los ist? Nichts. Aber ich muss erst den Himmel photographieren. Von dem mir schwindlig wurde.

Den Film hab ich heute geholt. In dem Photogeschäft, in dem ich seit Monaten alle Filme entwickeln lasse (liess!), entwickeln und auf CD brennen, für acht Euro, ohne Papierabzüge. Der Verkäufer sucht den Film und verlangt 21 Euro. ?. Ja. Entwickeln und Brennen auf CD kostet nun 21 Euro. Es gibt einen neuen Chef. Selten war ich so energisch wie heute (gestern natürlich). Hab alles für acht Euro gekriegt und am Abend, beim Anschauen, dann: Da war ich sehr sehr froh. Denn ich hätte den Film auch dort gelassen.

Schlaflose Nächte wie diese sind hervorragend geeignet, ein Stück Himmel zu gucken. Viel lieber aber würde ich schlafen. Gleich drei.




Du siehst mehr und mehr verloren aus, sagt jemand.
Niemand frägt, wie das gemeint ist.


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