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Wien:




Vier Tage in Wien - Teil 2


Sehr langweilig, so ein Reisebericht. Erinnert an das klassische erste Aufsatzthema eines neuen Schuljahres. Nichtsdestotrotz ... zum Freitag (geschlafen hab ich in dieser ersten Nacht wie in allen folgenden im übrigen ausnehmend gut).

Diesen Freitag wolte ich mich weniger treiben lassen, geplanter angehen, doch wie das mit Plänen so oft ist - sie fallen in´s Wasser, bzw. mein Besuch der Gemäldegalerie dem Rektorstag zum Opfer. Es ist hart: einmal was geplant, gezielt auf den Weg gemacht, mit viel Mühe die Akademie der bildenden Künste, in welcher die Galerie beheimatet ist, auch gefunden und zugleich das Schild: "Heute geschlossen"


Nun fühlt sich der Tag wie ein Geschenk an. Es ist mittags halb zwölf, ich kann tun und lassen was ich will (Pläne scheinen mich auf einer unbewussten Ebene doch dezent zu blockieren). Was tu ich, was lass ich, was will ich? Meine Füße führen mich zum MQ, bevor mein Kopf entscheidet und ich besuche nicht die Sammlung Leopold, sondern in der Kunsthalle die Ausstellung "Tableaux vivants" - Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film und Video. Sehr sehenswert. Wie stark das nun zum gestrigen Besuch im KM kontrastiert, angefangen von der Umgebung, dem Flair bis hin zu natürlich den Exponaten. Vergleichen kann und und will ich nicht, das sind zwei Seiten eines Würfels, des Würfels "Kunst". Sehr faszinierend, diese Ausstellung, allein der Film "middlemen" war den Eintrittspreis wert. Und Hannah Wilke. Und der andre Film, in dem der eine Mann dem andren Mann einen Tritt in den Hintern verpasst. Sie haben merkwürdige Hüte auf in dem Film, der eine fällt dann auch zu Boden. Und noch ein paar Sachen.

Erleben am Rande: Natürlich ist mir wohlbekannt, daß Museumsbesucher ihre händies ausschalten sollten. Bewusst hab ich´s nicht getan, ich möchte die Verbindung mit zuhause nicht kappen. Der Vater krank, mein Kind zum ersten Mal einige Tage allein. Angerufen werde ich ohnehin nicht, sondern im Bedarfsfall erhalte ich eine sms. So dachte ich bis zu dem Zeitpunkt, als das händie losdudelte. Kein sms-Ton, ein Klingelton. Wühlen im Rucksack (das immerhin war legitim, den Rucksack mitzunehmen), wo ist das verdammte Teil, und bis ich es gefunden hatte, war natürlich alles vorbei, der Anrufer hatte aufgelegt. Auf dem Display sehe ich, daß es mein Sohn war und erschrecke wirklich. Wenn er, der so ungern telefoniert, anruft, muss was Außergewöhnliches vorgefallen sein. Raus aus dem Ausstellungraum, Telefon suchen, doch es gibt keins. Und ich kann nicht nach Deutschland telefonieren, weiß die Telekom warum, so schicke ich eine sms "ruf mich jetzt an!" und beschwöre im Geiste mein Kind, dies doch bitte auch zu tun. Es hilft, das händie schellt, mein Sohn ruft mich an um mir mitzuteilen, das Senegal 1:0 gegen Frankreich führt.


Nach dem Museumsbesuch marschiere ich wieder los, finde in der Innenstadt endlich ein Caféhaus, indem ich mich wohlfühle, allein über die Suche danach wäre seitenweise zu berichten. Hinterher stelle ich fest, daß das Bräuninger eins der legendären, oft empfohlenen Cafés ist, doch ich wollte ja keinen Empfehlungen folgen, musste ja allein entdecken, und das ist auch gut so. Ist doch viel schöner, ein Lokal zu finden, es zum Lieblingscafé zu erküren - und hinterher dann feststellen, daß es auch das Stammlokal von Thomas Bernhard war.

Durch die Stadt laufen. Es gibt so viel zu sehen. An der Pestsäule ruhe ich mich aus und werde von Herrn F. angesprochen, ich kauf ihm einen Augustin ab. Wo ich herkomme, ach Nürnberg, ja, das kennt er, aber Berlin ist besser, da war bei der love-parade. Aha. Sein Kumpel kommt hinzu, Bayern, klasse, er hat lange in Hof gelebt, wie, das kenn ich?, toll. Und dann warnt er mich vor seinem Freund, dem Heiratsschwindler. Dieser gibt mir zum Abschied die Hand und eh ich mich´s verseh einen Handkuss darauf. Wie galant... Doch ja, ich schreib ihm eine Karte. Meine Telefonnummer? Nein, nix da. Anrufen, wenn ich wieder komm? Nein.

Essen im Inigo. In der Bäckerstraße, gegenüber der Jesuitenkirche. Preiswert, lecker, vegetarisch, schönes Ambiente, was will ich mehr. Erst wieder Zuhause, beim Stöbern im Netz, erfuhr ich vom sozialen Hintergrund des Lokals, und verweise der Einfachheit halber hierauf, es sei im Menüpunkt "Geschichte" der Unterpunkt "Über uns" empfohlen. Feine Sache.

Dali. Schön, das meiste bekannt, überwiegend Grafiken, einige Skulpturen.


Den Stephansplatz überqueren, ungern, entschieden zu viele Menschen, da tritt ein Mann auf mich zu, greift in Richtung meiner Kamera und sagt, er werde ein Bild von mir machen, ein Bild von mir und der Kirche. Oft bin ich naiv und doof, doch die Kamera geb ich nicht aus der Hand, außerdem will ich kein Bild von mir und der Kirche, aber warum, Sie sind eine so schöne Frau, ja klar, und Du mit der Rollei im Gewühl blitzschnell verschwunden. Von da an passe ich auf, wenigstens den Rucksack nicht offen irgendwo stehen zu lassen, wenn ich photographiere.

Wieder beim Fiakerstand, alle Wege scheinen zum Fiakerstand zu führen, innehalten, schauen. Ob der Großvater auch hier stand?


Es beginnt zu dunkeln, die Zeit verflog schnell, ich bin sehr müde und an meine Füße mag ich grad gar nicht denken, vernünftig wäre es, zurückzugehen, doch ich kann mich nicht trennen, laufe weiter die Straßen ab, im Dunkeln wird der Glitter sichtbar, am Tag roch es nach Pferden, nun stinkt es nach Joop und Laura Biagotti und was weiß ich, das ist nicht besser, das ist überhaupt nicht besser.

Die Oper umrunden, aber nun zurück zur U-Bahn, die Kärnterstraße entlang, viel Eleganz, viel Protz, in Grüppchen vor Lokalen stehen sie zusammen, Sektgläser in der Hand, wohldosiertes Lachen, den alten Mann neben ihnen mit nur einem Schuh sehen sie nicht, ich ärgere mich über meine Grundsätze, viel hab ich nicht, doch an die paar halte ich mich streng, einer lautet "Keine fremden Menschen photographieren".

Gegen 23.00 h bin ich zurück, meine Zimmerkollegen haben eine Donauschiffahrt gemacht. Auch nicht schlecht. Apropos zurückkehren, das hab ich vergessen zu erzählen: Gestern früh fiel mir erst in der U-Bahn ein, daß ich weder den Namen des Hotels noch den der Straße kenne, in dem ich wohne. In der Nähe vom Westbahnhof halt. Schon mal nachts am Westbahnhof aus der U-Bahn gestiegen und keine Ahnung gehabt, welchen Treppenaufgang du wählen sollst? Du gehst also eine der vielen Treppen hoch und suchst Dir einen Ausgang und nun? Jetzt, wo ich darüber nachdenke, wundere ich mich sehr über mein Gespür, die richtige Richtung zu finden. So wenn es auch im Leben außerhalb der Hotelsuche laufen würde, nicht nachdenken, stattdessen nachspüren und meiner Wege gehen.

>>> Teil 3? >>>






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Kunsthalle Wien

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